Was brauchen Wellensittiche?

Wellensittiche sind beliebte Haustiere, weil sie neugierig, klug und „verspielt“ sind. Diese Eigenschaften sollten unbedingt gefördert werden, damit sie aktiv und gesund bleiben. Um ihre Bedürfnisse richtig zu verstehen, sollte man sich ihrer Herkunft und ihren natürlichen Verhaltensweisen bewusst sein. Vorweg deshalb zum Verständnis kleine Exkurse in die Natur:

Im ständigen Überlebensmodus

Wilde Wellensittiche sind außerhalb der Brutzeit nicht standorttreu und leben nomadisch in sehr unwirtlichen Steppen- und Wüstengebieten. Auf der Suche nach Futter und Wasser fliegen sie weite Strecken. Das macht den größten Teil ihrer täglichen Aktivitäten aus. Dabei sind sie häufig wechselnden Eindrücken und Gefahren ausgesetzt: verschiedene Bäume, Pflanzen, Tiere, Farben, Geräusche, Gerüche, Witterung und anderes.


Die Originalkarte wurde einst von mir gezeichnet und Wikipedia zur Verfügung gestellt.

Sicherheit und Geborgenheit durch den Schwarm
In freier Wildbahn müssen sie ständig vor ihren Fressfeinden auf der Hut sein. Das ist tief in ihrem Instinkt verwurzelt und darauf ausgelegt, bei jeder unklaren Situation, bei jedem unbekannten Geräusch schnell zur Flucht bereit zu sein. Im Schwarm sind viele Augen, die wechselnd nach allen Richtungen gemeinsam Ausschau halten und bei Bedarf einen Warnlaut ausrufen. Diesen Laut kennen alle Mitglieder, so dass sich alle rechtzeitig in Sicherheit bringen können oder im Schwarm gemeinsam fliegend den Fressfeind verwirren. Der Schwarm bietet ihnen also Schutz und Sicherheit.

Sie suchen sich nicht nur einen Partner für die Fortpflanzung, sondern pflegen auch Freundschaften. Das ist ganz ähnlich wie bei Menschen: die einen mögen sich gerne, andere weniger. Bei der Partnersuche kann es durchaus auch ganz schön ruppig zugehen. Und trotzdem sind sie sehr soziale Lebewesen. Wenn es darauf ankommt, stehen sie ganz fest zusammen.

Das Leben in Gefangenschaft

Um ihre natürlichen Instinkte abzulegen, sind sie noch nicht lange genug domestiziert. Wir können vieles bei unseren „Stubenvögeln“ noch heute beobachten und haben es hier also mit recht wilden Geschöpfen zu tun, sofern sie nicht durch etwaige Qualzuchten zu weit von ihrer Urform entfernt sind oder eine schlechte Haltung sie zu einem nicht arttypischen Verhalten zwingt. Im Besonderen seien hier auch Handaufzuchten erwähnt.

Der Unterschied zur Natur
In der Obhut von Menschen leben Wellis eher behütet auf engstem Raum mit vergleichsweise wenig Anreizen, sofern diese nicht „künstlich“ geschaffen werden. Früher oder später gewöhnen sie sich an eine reizarme Umgebung und werden selbst bei geringfügigen Veränderungen mit Angst reagieren. In der Folge neigen wir als Vogelhalter gerne dazu, nichts Neues mehr anzubieten, weil wir unsere Lieblinge nicht ängstigen wollen. Einen Gefallen tun wir ihnen damit allerdings nicht.

Um den befiederten Mitbewohnern ein interessantes, ausgeglichenes und angstfreies Leben zu ermöglichen, sind einige wichtige Grundlagen zu beachten:

Der Schwarm
Wellensittiche sind Schwarmvögel und leben erst im Verbund mit mehreren Artgenossen richtig auf. Sie sollten mindestens zu zweit gehalten werden, besser noch in einer Gruppe von vier, sechs oder mehr Vögeln. Durch den Rückhalt in einem Schwarm fühlen sie sich sicher und erforschen mutig ihre kleine Welt.

Landeplätze & viel Flugraum
Noch einmal zur Erinnerung: Wellensittiche fliegen in der Natur weite Strecken! Damit sie nicht übergewichtig und damit auch krank werden, brauchen sie in Gefangenschaft dringend ausreichend Animation, sich zu bewegen.

Wichtig sind hierbei mehrere Landeplätze aus natürlichen Materialien wie etwa Holz und Kork. Möglichst weiträumig im Zimmer verteilt und mit abwechslungsreichem Spielzeug bestückt, laden diese nicht nur zum Verweilen, sondern auch zu diversen Aktivitäten ein.

Die Sitzplätze sollten möglichst auf Augenhöhe des Menschen sein. Zu niedrig angebracht würde es zu Unsicherheit und Angst führen. Sind die Plätze hingegen zu hoch, befinden sie sich nicht mitten im Geschehen und gewöhnen sich schlechter an den Menschen und die Umgebung.
Eine ausreichend große Voliere als sicherer Rückzugsort, sowie ganztägiger Freiflug im vogelsicheren und angemessen beleuchteten Raum ist unentbehrlich.

Ruhige Umgebung bei der Eingewöhnung
Ein ruhiges Umfeld ist besonders am Anfang einer Haltung, wenn ein Neuzugang einzieht oder generell bei ängstlichen Tieren wichtig. Leises Sprechen und langsame Bewegungen bei alltäglichen Ritualen schaffen Sicherheit und Vertrauen. Langsam steigernd in den Alltag eingebracht, können Geräusche wie zum Beispiel Vogelstimmen oder Musik eine sinnvolle Bereicherung darstellen.

Schlaf- und Ruhezeiten
Geregelte Schlaf- und Ruhezeiten sollten ebenfalls eine kurze Erwähnung finden, denn das ist wichtig für den Biorhythmus, mit dem die seelische wie körperliche Gesundheit im direkten Zusammenhang steht.

Mittags ist es in Australien sehr heiß, weshalb diese Zeit in der Regel für ein ausgedehntes Nickerchen genutzt wird. Die Hauptzeiten, in denen Wellensittiche sehr aktiv sind, ist am Morgen bis Vormittag und am Nachmittag bis Abends. Diese aktiven Phasen haben sie auch in Gefangenschaft beibehalten, obwohl bei uns ein ganz anderes Klima herrscht.

Diese Pausenzeiten sollten wir als Halter unbedingt respektieren und sie nicht unnötig dabei stören. Wir wollen schließlich auch nicht ständig im Schlaf gestört werden, weil irgendjemand gerade der Ansicht ist, unbedingt JETZT Kontakt mit uns aufnehmen zu wollen. Zu so jemandem würden wir wohl eher eine gesunde Distanz einnehmen wollen und keine Freundschaft eingehen.

Beschäftigung
Sinnvolle Beschäftigung darf in keiner Wellensittichhaltung fehlen. Handliche Spielsachen können sehr leicht ausgetauscht oder erneuert werden, so dass die kleine Welt der Stubenvögel interessant und spannend bleibt. Durch unterschiedliche Materialien, Größen, Farben und Formen sind der Phantasie nur wenige Grenzen gesetzt.

Wird ein Spielzeug nicht akzeptiert, kann vielleicht der Tausch mit einem anderen Teil schon helfen. Auch die Erreichbarkeit spielt eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Ein ängstlicher Welli wird sich wohl kaum einer Knabberkette widmen wollen, die unter einem Sitzast baumelt. Da kommt, was kommen muss: es wird drauf gesch*** und ist ziemlich sicher nicht im Sinne des „Erfinders“. Zudem gibt es Plätze, an denen sie bevorzugt spielen. Eine Faustregel gibt es dafür allerdings nicht. Da hilft nur ausprobieren, was den Vögeln am besten gefällt.

Wellensittiche, die Angst vor neuen Spielsachen und anderen Einrichtungsgegenständen haben, sollten natürlich auch nicht überfordert werden. Am Anfang sind daher minimale, aber stetige Veränderungen besser. Sobald etwas angenommen wurde, kann der nächste kleine Schritt folgen. Die Vögel werden lernen, dass Neues absolut nicht böse sein muss und es sogar bald interessant finden. Das ist ein Prozess, der vor allem von uns Haltern Geduld und Einfühlungsvermögen erfordert. Es lohnt sich!

Futtersuche
Unterschiedliche Fütterungsmethoden sind eine willkommene Abwechslung und tolle Beschäftigung. Ein Teil der täglichen Futterration in einer Wühlkiste angeboten oder an Spielzeuge gesteckt, bringt Bewegung in den Schwarm und weckt Interesse an der Umgebung.

Sogenannte Foraging-Toys ergänzen das Angebot. Futter aus normal üblichen Näpfen sollte dabei einen eher geringen Anteil ausmachen.

Brut und hormonelle Probleme
Die Erhaltung ihrer Art steht an erster Stelle. Lang anhaltende Trockenzeiten in ihrem Hauptverbreitungsgebiet machen es nötig, dass sie bei günstigen Bedingungen sofort mit der Brut beginnen. Sie sind sog. opportunistische Brüter und haben das auch über viele Generationen bei uns in Gefangenschaft nicht abgelegt. Im Gegenteil wird sogar angenommen, dass das durch die Zucht über die Jahre noch befördert wurde und leider auch weiterhin wird.

Neben dem günstigen Klima bei uns bieten wir ihnen permanent gute Bedingungen und so mancher Wellensittich bekommt „hormonelle Probleme“. Damit meine ich in erster Linie die oft hausgemachten Probleme und nicht krankheitsbedingte, die selbstverständlich immer eine Behandlung durch einen vogelkundigen Tierarzt erfordern.

Im Besonderen möchte ich in meinem Atelier im Sinne des Tierschutzes auf Spielzeug und Möbelchen für Haltungen ohne Zuchtabsichten eingehen. Hierbei haben wir ein ganz anderes Ziel vor Augen und sollten uns deshalb der Natur der Wellensittiche einmal mehr bewusst sein.

Natürlich gebe ich bei Bedarf entsprechende Hinweise, wenn manche Dinge zwar durchaus angeboten, unter gewissen Umständen aber auch zur Brut anregen können. Im Zweifelsfall sollten solche Dinge besser entfernt werden.

Übersicht


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